Sonntag, 3. Januar 2016

Patagonien, Weihnachten und Silvester

Eigentlich wollte ich ja einen ausführlichen Post über die Südreise mit Rotary schreiben, aber weil einfach viel zu viel passiert ist und es sowieso schon bestimmt 100 Posts über ein und dieselbe Reise im Internet gibt, lasse ich das einfach. Außerdem könnte ich die spannendsten Dinge hier sowieso nicht erzählen, weil wir ja möglicherweise einige Regeln gebrochen haben könnten :D
Hier ist aber trotzdem eine kurze Zusammenfassung: Unglaubliche Landschaften, Gletscherwanderung, Pinguine, Wale, Lamas, schlaflose Nächte, Party, tolle Menschen und jede Menge Spaß. Ich kann die nächste Reise im Mai gar nicht abwarten <3

Da das jetzt abgehakt (entschuldigt meine Faulheit), kommen wir gleich mal zum Weihnachtsfest. Ich glaube in Deutschland kann man sich Weihnachten gar nicht ohne jede Menge Kitsch, Deko, Schokolade und Weihnachtslieder vorstellen, aber tatsächlich gab es hier gar nichts von alledem und ich habe sogar Nikolaustag vergessen, bis ich von Austauschschülern daran erinnert wurde. Bis zum Heiligabend habe ich nichtmal realisiert, dass wirklich schon Weihnachten ist und man hat in der gesamten Stadt auch überhaupt nichts davon gemerkt. Heiligabend fing also damit an, dass ich den Vormittag alleine zu Hause verbrachte, weil meine Gasteltern bis Nachmittags beide arbeiten waren. Als ich dann Nachmittags schon ein schickes Kleid anhatte und mich für ein gemütliches Kaffeetrinken mit der Familie und die Bescherung fertig machte, passierte aber rein überhaupt nichts. Ich bin sogar mit meinem Gastvater nochmal spontan Geschenke kaufen gefahren, weil ihm noch jede Menge für die Familie fehlte (man bedenke es war der 24.12. nachmittags). 
Und nicht genug, wir mussten die Geschenke sogar erst noch basteln, das hieß ich habe dann mitgeholfen, einen Blumentopf für die Großeltern zu bemalen, der logischerweise nicht bis zum Abend trocken wurde. Um neun Uhr Abends sind wir dann endlich zum Haus der Gasttante gefahren, wo die ganze Familie zusammen Abend gegessen hat (und zwar nichts da mit Braten, sondern Salat und Hühnchen). Ich habe fast den gesamten Abend mit einem venezuelischen Teil der Familie verbracht, weil sie auch kaum jemanden kannten und somit waren wir alle ein wenig Außenseiter. Um zwölf gab es dann die große Bescherung und alle Kinder wurden raus gelockt, um draußen auf "Papa Noel" zu warten, während die Erwachsenen die Geschenke auf dem Fußboden verteilten. Es war echt ein ziemliches Chaos, wie die gesamte Familie ihre Geschenke in den riesigen Geschenkeberg suchte. (Übrigens Anmerkung für meine Familie: Niemand in der ganzen Familie hat Geschenkpapier benutz, also gehe ich mal davon aus, dass das hier gar nicht existiert, für alle die meinten, es wäre unmöglich, ihnen mein Geschenk uneingepackt zu überreichen.)
Jedenfalls war die Feier dann um zwei oder drei Uhr morgens zu Ende und wir sind endlich schlafen gegangen. Eigentlich gehen die Jugendlichen hier auch manchmal nach der Familienfeier noch mit ihren Freunden feiern, aber weil niemand meiner Freunde Zeit hatte, bin ich auch zu Hause geblieben.
Am nächsten Tag sind wir dann noch den Rest der Familie besuchen gefahren, was aber ungefähr genauso unweihnachtlich war, denn wir sind im Fluss baden gegangen anstatt gemütlich am Kamin zu sitzen, wie man es vielleicht in Deutschland gemacht hätte. Es ist aber auch echt schwierig, hier vernünftig Weihnachten zu feiern, weil es halt über dreißig Grad sind und da nur wenig Weihnachtsstimmung aufkommen will.
Leider habe ich hier in meiner Familie kein Schwimmbecken im Garten und alle meine Freunde mit einem Pool wohnen ungefähr eineinhalb Stunden mit dem Bus entfernt von mir (man bedenke in der selben Stadt), also muss ich wohl mit meinen Ventilator vorlieb nehmen.
Silvester war dann etwas mehr so wie wir es kennen, mit Abendessen und Feuerwerk. Ich habe Silvester in der Familie einer Freundin verbracht, weil meine Gastfamilie ins Wochenendhaus gefahren sind und ich aber noch mit ein paar Freundinnen tanzen gehen wollte. Ihre Familie war echt nett und wir haben zusammen gegessen (Hühnchen, was sonst? :D), angestoßen und das Feuerwerk beobachtet bevor Agus und ich uns fertig für die Boliche (Disko) gemacht haben. Um zwei Uhr morgens haben wir uns dann mit Amaya aus Mexiko und Claire aus Belgien getroffen und sind erstmal zum aufwärmen in eine Bar gegangen. Ja, richtig, um zwei Uhr morgens, wenn in Deutschland schon fast alle wieder schlafen gehen, fängt das Nachtleben in Argentinien erst so richtig an. Wir wurden sogar gratis und ohne Passkontrolle reingelassen, weil sich Agus (Argentinierin) als Ägypterin ausgab und ihr falscher Akzent anscheinend ziemlich überzeugend wirkte (sie verbringt wahrscheinlich einfach viel zu viel Zeit mit uns Austauschschülern und hat sich unseren Akzent abgeguckt). Jedenfalls war es eine echt schöne Nacht und wir sind erst um acht Uhr morgens wieder bei Agus zuhause angekommen. Das hat ihre Eltern aber nicht davon abgehalten, uns am nächsten Tag mit zum Pool zu nehmen, der ungefähr eineinhalb Stunden mit dem Auto entfernt war. Dort gab es dann leckeres Asado (argentinisches BBQ) und Agus und ich konnten uns noch ein bisschen in der Sonne ausruhen. Eigentlich war der Plan gewesen, dass ich dann nachmittags meine Gastfamilie auf dem Land besuchen fahre, aber weil es dann doch schon zu spät war, habe ich einfach noch eine Nacht in Agus' Haus verbracht. Am nächsten Morgen musste ich dann aber leider früh aufstehen, um mit dem Bus dann doch noch aufs Land zu fahren und den Tag mit meiner Gastfamilie und den Gastgroßeltern zu verbringen. Zum Glück gab es dort aber wenigstens einen Pool und den Fluss, was bei 35 Grad echt angenehm ist.

Ansonsten lebe ich halt hier grade so mein Leben, besuche Leute und versuche nicht vor Hitze zu sterben. Ich habe jetzt noch zwei Monate Ferien und möchte jetzt schon am liebsten wieder in die Schule gehen. Es ist nämlich echt schwer, sich ein Sozialleben aufzubauen, wenn man nicht jeden Tag Leute trifft und man sich auch erstmal überwinden muss, das Haus zu verlassen, weil Busfahren im Sommer hier irgendwie nicht so angenehm ist. 
Weil ich jetzt schon immerhin vier Monate hier bin und ich mich deswegen eigentlich ganz gut mit der argentinischen Kultur und Lebensweise auskennen sollte, habe ich hier mal ein paar Unterschiede aufgestellt:

1. Das erste, was mir aufgefallen ist, als ich meine erste Gastfamilie kennengelernt habe, war die Begrüßung: hier gibt man sich immer ein Luftküsschen auf die Wange (außer zwei Männer untereinander), was ganz angenehm ist, weil mein sich nicht zwischen Umarmung und Handschlag entscheiden muss.
2.Der Müll. Er wird nicht getrennt und liegt überall auf der Straße herum.
3. Die Familie - sie ist sehr wichtig in der südamerikanischen Kultur, was für mich immer noch sehr gewöhnungsbedürftig ist, weil das eben nicht meine eigene Familie ist.
4. Die Schule: Erst hier habe ich wirklich bemerkt, wie effizient wir Deutschen wirklich sind, hier wird nämlich kaum gearbeitet.
5. Außerdem ist der Wissensstandard manchmal echt erschreckend niedrig, vor allem der Englischunterricht ist der Horror hier.
6. Der Nationalstolz: Überall sieht man Argentinische Flaggen und es gibt auch viel mehr Traditionen als in Deutschland.
7. Das Essen - eher nicht so mein Ding, aber jedem das seine. Viel Fleisch, Pizza und Hühnchen.
8. Die Gastfreundschaft: Wie oben schon geschrieben, habe ich zwei Tage lang mehr oder weniger uneingeladen im Haus meiner Freundin verbracht und ihre Eltern haben sich am Ende sogar noch bedankt, dass ich Zeit mit ihnen verbracht habe.
9. Die Preise: Das wird jetzt einige überraschen, aber hier ist alles so arschteuer, dass ich mir kaum was kaufen kann. Das geht von Shampoo und Zahnpasta über Kleidung bis zur Schokolade, alles viel zu teuer.
10. Sexualisierung: Die Frau wird hier viel mehr als Objekt behandelt als in Deutschland.
11. Die Tageszeiten: Die Straße um nachts um fünf Uhr morgens kann je nach Wochentag sogar sicherer sein als um drei Uhr Nachmittags, weil da nämlich alle Siesta schlafen. Es gibt  auch kein Wort für "Abend", sondern es ist entweder Nachmittag oder Nacht. Und gegessen wird deswegen auch immer Nachts.
12.Die Kinder - überall. Während man in Deutschland ja eher selten ein kleines Kind sieht, gibt es die hier echt in Massen.
13. Die Straßen. Es gibt fast nur Einbahnstraßen, was die Orientierung, wenn man mit dem Auto fährt manchmal unmöglich macht.
14. Die Klamotten: Gefälschte Markenklamotten für die Jungs und bauchfreie Tops mit Shorts für die Mädchen.
15. Das Nachtleben: Über die Boliches habe ich ja schon mal einen Artikel geschrieben und es gibt auch fast jedes Wochenende irgendeine Feier in einem Wochenendhaus.
16. Straßenhunde, überall.
17. Das Aussehen der Menschen: Jeder hier weiß sofort, dass ich aus Deutschland bin (anscheinend sehe ich wirklich sehr deutsch aus) und selbst mir fallen vor allem helle Augen jetzt schon immer auf.
18. Die Lücke zwischen Arm und Reich: Hier gibt es sehr wenig Mittelstand und man sieht öfters noch Pferdekutschen auf den Straßen und auch mein Viertel hier ist ziemlich arm. 
19. Das Temperament. Argentinier sind laut und lieben Schimpfwörter.
20. Die Ausmaße das Landes: man kann sich das als Euröpäer gar nichtso richtig vorstellen, stundenlang durch nichts weiter als Steppe zu fahren, aber auf der Südreise habe wir genau das tagelang durchhalten müssen.

Hier sind noch ein paar Fotos meiner letzten Tage:


Lotte und ich... fabulous.

"Poolparty"


 
Mit meinen Gastgeschwistern im Auto

Agus und ich an Silvester

Ziemlich cooler Himmel über den "Sierras Chicas de Cordoba"

Meine Gastmutter und ich beim wandern...

Und beim Baden im See

Der kleine Weihnachtsbaum im Wohnzimmer

Plätzchen backen im Sommer

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen